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1. Ein Plädoyer für Klappkameras

Klappkameras sind, gemessen am Bildformat, mit wenigen Ausnahmen so kompakt, daß sie größenmäßig in geschlossenem Zustand ohne weiteres mit Kleinbildkameras konkurrieren können. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind sie sehr preiswert zu erhalten.

Zwar gibt es sie nur noch gebraucht auf Flohmärkten, im Trödel, auf Kamerabörsen und im Nachlaß der Eltern, und auch jüngere Modelle haben bereits ein halbes Jahrhundert und mehr überlebt, aber dennoch sind sie preiswert zu finden (ab ca. 10 Euro, wobei die teuersten Exemplare auch mehrere Hundert Euro kosten können). Sie verarbeiten gewöhnliches, nach wie vor leicht erhältliches Filmmaterial, das im Prinzip und wenn die Kameraoptik es zuläßt, eine wesentlich höhere Bildqualität ermöglicht als Kleinbildfilm. Bedingt durch die durchgängige Verwendung von Zentralverschlüssen sind sie sehr verwackelsicher und können auch ohne Stativ benutzt werden. Sie eignen sich daher ideal, um die Welt des Mittelformats zu erforschen, als Reisekameras, und auch als Kamera in Bereichen, in denen eine moderne, superautomatische Kamera entweder versagt (so etwas gibt es) oder, aus welchen Gründen auch immer, und sei es nur die Diebstahlgefahr, nicht geeignet ist.


Die typische Seitenansicht einer Balgenkamera (hier eine Patent Etui der Dresdner Kamerawerkstätten). Dieses Kameraprofil ist stilbildend für Kamerasymbole auf Hinweisschildern (Photo von Stefan Nützel) weltweit geworden.


Klappkameras sind ihrer Natur nach nicht geeignet für Verwendungszwecke, bei denen es auf die Bewältigung stark wechselnder Aufnahmeabstände ankommt, denn sie haben (bis auf die Plaubel Makina II) keine Wechseloptiken. Sie sind auch nicht geeignet für schnelle Schüsse in Serie, da bei den allermeisten Kameras der Film per Handrad weitergekurbelt wird. Ein Schnellspannhebel ist bei diesen Kameras selten anzutreffen, und einen motorischen Antrieb wird man vergebens suchen. Dafür sind diese Kameras unübertroffen leise. Nicht bei allen Kameras weiß man, ob die Aufnahme auch den richtigen Ausschnitt getroffen hat, da der Sucher oft nur grobes Zielen zuläßt. Auch gilt es, die Entfernungen genau einzustellen, da das große Bildformat und die verwendeten Brennweiten im Nahbereich sehr kritisch in der Entfernungseinstellung sind.

In letzter Zeit scheinen Klappkameras, wohl aufgrund der vielen positiven Eigenschaften, die heute so von keinem modernen Kameratyp verkörpert werden, eine kleine Renaissance zu erleben.

Angesichts der Vielzahl der funktionsfähigen Modelle, die sich noch finden lassen, entstand der folgende Text in der Absicht, einen Leitfaden für Kauf und Benutzung dieser Kameras zu geben, denn leider ist nicht jede Klappkamera so gut, wie es das große Bildformat suggeriert. Wer mit dem Gedanken spielt, eine solche Kamera zu benutzen, sollte sich auch mit den negativen Aspekten (gelegentlich löchrige Balgen, hängende Verschlüsse und unvergütete, dreilinsige Objektive können die Freude am Bild beeinträchtigen) auseinandersetzen, bevor er sein Geld investiert. Wenn die Wahl allerdings gefallen ist und sich das erworbene Modell als funktionsfähig erweist, dann kann es gut sein, daß bereits nach wenigen Filmen der Anschaffungspreis der Kamera erreicht ist -- eine glücklich ausgewählte Klappkamera bietet eben einen zu dieser Qualität auch im Kleinbildformat nicht möglichen Einstieg in die bewußte, gestaltende Photographie.

Zum Bauprinzip der Klappkameras ist anzumerken, daß es in den 1950er Jahren auch Kleinbildkameras mit Balgen und versenkbarem Objektiv gab. Solche Kameras (z.B. Belca Beltica) werden jedoch nicht hier nicht vorgestellt.


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